Über Lisa Marie Fischer:
Oha, diese Frau gibt Rätsel auf: Lisa-Marie Fischer heißt die junge, blonde Dame, die da etwas skeptisch vom Cover blickt. Typ: Gymnasium, Oberstufe. Etwas sperrig, etwas kritisch, ein bisschen spröde vielleicht. So ganz mag man diese Optik nicht mit ihren zehn Titeln ihres ersten, selbstbetitelten Albums in Übereinstimmung bringen. Denn: das ist absolut traditioneller, erstaunlich ausgereifter Singer/Songwriter-Folk, mit einem gehörigen Schuss Country.
Wenn man schon Erscheinung und Musik nicht so recht in Einklang bringen möchte, dann noch viel weniger ihre Kunst mit ihrer Biografie. Denn Lisa-Marie Fischer ist erstens gerade mal 20 Jahre alt und zweitens – man lese und staune – kein mit Country, Bluegrass und Folk groß gewordenes Talent aus Tennessee oder wenigstens Kalifornien, sondern: aus dem hessischen Provinz-Städtchen Marburg stammend.
Man muss kein Prophet sein, um der hochtalentierten Sängerin und Songschreiberin einen baldigen Wohnortwechsel vorherzusagen. Wer weiß, vielleicht verschlägt es sie tatsächlich in die USA. Es wäre nur logisch, denn hier ist ihre Musik zuhause. Und die ersten Banden scheinen, wie ihre Biografie verrät, bereits geknüpft: Bei einer Musik-Kreuzfahrt – u.a. Lyle Lovett, Emmylou Harris und John Hiatt an Bord – lernte sie unter anderem Ryan Bingham und Holly Williams kennen. Vor allem aber sei sie auf diesem Trip, den sie als 16jährige machte, total vom Country- und Folk-Virus infiziert worden. Heilung scheint ausgeschlossen…
Diese Diagnose legt zumindest dieses Album nahe: ein nicht nur für eine 20jährige Marburgerin exzellentes Werk. Mit leichter Hand entwirft sie ihre Lieder, bringt sie Melodien, Inhalte und Rhythmen auf einen gemeinsamen, homogenen Song-Nenner. Keine Frage, diese zehn Tracks sind allesamt rund, aus einem Guss. Größtenteils akustisch arrangiert und unter Mithilfe von gestandenen Studio-Musikern und Gästen eingespielt (darunter: Janet Martin und Nashville-Größe Mark Evitts), präsentiert sie leisen, eindringlichen Singer-Songwriter-Folk und -Country. Reif, in jeder Beziehung. Am deutlichsten wird dies in der Gegenüberstellung ihrer eigenen Kompositionen mit einem Song einer echten Folk-Ikone: „Angel From Montgomery“, aus der Feder von John Prine stammend, bietet natürlich harmonische Extraklasse. Und setzt freilich auch ein Glanzlicht der CD. Aber: Dieser Prine-Track fällt nicht aus dem Rahmen. Im Gegenteil. Er fügt sich letztendlich ein, rundet ab, gehört und passt dazu. Damit ist eigentlich schon alles über die erstaunlichen Songwriting-Fähigkeiten dieser talentierten Hessin gesagt.
Und ihre Stimme? Die ist irgendwo zwischen Stevie Nicks und Alison Krauss angesiedelt und man sollte sie einfach mal hören. Wenn sie im ruhigen Country-Folk von „The Redemption Song“, temperamentvoll im flotten „From The Heart“ oder in dem an frühe Fleetwood-Mac-Tage erinnernden „Two Hearts“ intoniert. Sie klingt einfach immer toll. Und so authentisch nach bester Singer-Songwriter-Tradition, dass man ihre Herkunft erneut bezweifeln möchte. So ging es wohl auch dem Publikum bei ihrem Auftritt beim Country Music Meeting in Berlin 2011. Es gab, wird gemunkelt, Standing Ovations. Kein Wunder …
Fazit: 20 Jahre jung, aus Marburg stammend – und ein riesiges Talent im Country und Folk. Eine Frau mit Zukunft, keine Frage.