Florian Frenzel (I Might Be Wrong): “ Mit etwas Greifbaren in der Hand nach Hause zu gehen, ist zehnmal so schön wie jedes neue Ipod Design“

I Might Be Wrong (Foto: Alive)
I Might Be Wrong (Foto: Alive)

Wie wichtig ist für Dich der Fachhandel in Zeiten von Internet und MP3, sowohl als Musiker als auch als Kunde und Musikfan?

Das Kaufen und  Erleben eines physischen Tonträgers ist für mich heute, in Zeiten von schnellen Downloadlinks, überfluteten weißen Laptops an unzähligen MP3s, die unter Einbußung starker Qualitätsverluste im Netz kursieren, wichtiger denn je. Das Hören und Wahrnehmen von Musik hat sich damit in den letzen Jahren drastisch gewandelt und in der breiten Masse ist damit auch das Bewusstsein für die Wertschätzung von Musik als Kunstform verloren gegangen. Das Verständnis dafür, ein komplettes Werk eines Künstlers in der Hand zu halten ist, unter dem Druck von „shuffle“ und „skip“ Funktionen, in den Hintergrund gedrängt worden und beeinflusst damit auch die Verbindung zu der Musik drastisch.

Welche Bedeutung haben Plattenläden für die Musikkultur im allgemeinen und für Deine Musik im besonderen?

Vor ein paar Jahren war es fast noch normal sich durch den Besuch eines Plattenladen in der Musikwelt an Neuland zu wagen und in kleinen staubigen Ecken kleine Schätze zu entdecken. Heute ist durch das Internet der Zugang dazu auch in positiver Weise vorangeschritten und damit natürlich viel breiter und einfacher für jeden geworden. Doch genauso leichtfüßig, wie der Zugang zu der Musik, ist auch der Umgang mit ihr selbst und das damit verbundene Selektieren geworden, sodass viele Platten nicht mehr die Zeit vom Hörer bekommen, die sie eigentlich so dringend brauchen. Sich auch auf Fehlgriffe beim Kauf von Tonträgern einzulassen und diese auch zu überleben war und ist genauso wichtig, wie das sich Zeit nehmen für das Hören von Musik. Und dann noch mit etwas Greifbaren in der Hand nach Hause zu gehen, ist dann letztendlich doch auch zehnmal so schön wie jedes neue Ipod Design.

Wann und wo hast Du Deine ersten Schallplatten oder CDs gekauft, und welche Erinnerungen verbindest Du mit Plattenläden?

Ich erinnere mich an meine ersten Gehversuche beim Schallplattenkaufen, nachdem ich mich von meinem knarzenden und springenden CD-Spieler ein für alle mal getrennt hatte und verbinde damit viel Spannung und Aufregung. Das Bewusstsein, dass Musik heute genauso gut funktionieren könnte wie vor dreißig Jahren hat sich dann auf eine angenehme Art und Weise bei mir eingelagert und ist bis heute dicht an meiner Seite. Es ist etwas anderes in einem Plattenladen zu stehen und nicht zu Wissen womit man am Ende des Besuches nach Hause geht und wer hier was am vorhergehenden Tag neu angeschleppt hatte. Man stöbert, wundert sich, lacht sich kaputt, erinnert sich, fühlt sich wie seine Eltern mit zwanzig, nimmt sich Zeit, stellt zurück und geht mit immer wieder neuen Entdeckungen nach Hause. Und das macht dann letztendlich eine Platte auch wirklich wertvoll, wenn man mit ihr etwas verbinden kann und einen gewissen Aufwand betrieben hat, um sie in einer bestimmten physischen Form zu erlangen.

Was sind Deine aktuellen CD-Tipps, und welche Musiker und Alben sollten in keinem CD-Regal fehlen?

Vor allem für das Gefühl einer Vinyl ist „Bibio“ mit seiner neuen Platte „Ambivalence Avenenue“ (Warp Records) und all seinen alten Platten ein riesengroßer Lieblingskünstler, der versteht Musik als Eindruck und Gefühl einzufangen und Melodien um derer Klang- und Entstehungswillen schafft und festhält. Auch riesengroß und immer wieder Gut, die letzte „Delbo“ (Loob Musik). Dann noch ein bisschen „Bobby and Blumm“ (Morr Music) für zwischendurch.  Und sowieso grandios, die neue „Siva“, betitelt mit den schönen Worten „Same Sights, New Light“ (Devil Duck).