Dennis Lisk: „Wir alle sind mit Plattenläden aufgewachsen“

„Ich unterstütze die Plattenladenwoche, weil Plattenläden die Navigationssysteme dieses so wundervollen Universums namens Musik bleiben sollen. Es muß allerdings einiges investiert werden in Sachen Raumfahrttechnik!“

Dennis Lisk (Pressefoto/Sony Music)
Dennis Lisk (Foto: Sony Music)

Wie wichtig ist für Dich der Fachhandel in Zeiten von Internet und MP3, sowohl als Musiker als auch als Kunde und Musikfan?

Ich liebe Plattenläden, aber sie müssen unbedingt konkurrenzfähig bleiben. Das Wort „konkurrenzfähig“ allein ist schon schwierig genug, wenn es um eine Leidenschaft wie Musikhören geht. Aber noch schwieriger für Plattenläden wäre es, wenn sie das Thema „Konkurrenz“  unterschätzen oder verdrängen würden. Plattenläden müssen Serviceoasen sein, in denen es Insidertipps und ein freundliches Lächeln gratis gibt. Ich denke, ein guter „konkurrenzfähiger“ ;-) Plattenladen von heute muß sowohl Nische als auch Pop gut und besonders auch gerne anbieten können. Er muß natürlich sortiert sein und trotzdem Raum lassen für zufällige Entdeckungen. Aber neben dem Anspruch, exklusiv zu sein sollte er dennoch dem Mainstream nicht den Rücken kehren. Und – all seiner liebe zu haptischen Tonträgern zum Trotz – dennoch auch Tipps geben können, wie man exklusive, rare Remixe oder sonstige Versionen von Songs erhält, die es als konventionellen Tonträger gar nicht mehr gibt.

Welche Bedeutung haben Plattenläden für die Musikkultur im allgemeinen und für Deine Musik im besonderen?

Wir alle sind mit Plattenläden aufgewachsen. Ich habe Stunden und Tage dort verbracht. Meistens habe ich erst dann aufgehört, alte Soul-Platten nach Samples abzuklopfen, wenn der Harndrang stärker wurde als der Wille, gute Musik zu entdecken. Das zum Thema „Service“ ;-) Mittlerweile hat sich das etwas geändert bei mir. Ich kaufe auch viel im Netz. Viele Remixe gibt es auf Tonträgern gar nicht mehr. Plattenläden müssen so etwas berücksichtigen und viel mehr anbieten, als „nur“ den klassischen Tonträger. Siehe Turntlable-Lab in Los Angeles. Da kann man sich nebenbei noch einkleiden, nimmt das neueste Mixtape von DJ-Sonstwem mit, kauft sich zwischendurch noch eine MPC-1000 und hört das erste Mal von diesem einen, neuen extrem geilen Musik-Magazin…oder stöbert im Urban-Arts Buch. Kurzgesagt: Es heißt, Plattenläden seien in einer Sackgasse. Aber ich glaube vielmehr, gute Plattenläden haben hunderte Wege vor sich. Die sie allerdings auch alle gehen müssen. Dann sind sie Ideengeber und Wegweiser in diesem so unübersichtlichen Kosmos namens Musik. Dann sind Plattenläden wieder das, was sie sein sollten. Die Navigationssysteme der Musikindustrie. Nur das man als Konsument nicht das Ziel, sonder nur den Herkunftsort einzugeben braucht.

Wann und wo hast Du Deine ersten Schallplatten oder CDs gekauft, und welche Erinnerungen verbindest Du mit Plattenläden?

Alles non-exklusive in Läden wie WOM, und alles in Sachen Raritäten und 2nd Hand bei Scratch in der Schanzenstraße in Hamburg. Oder bei Zardoz in Altona und im Schulterblatt. Die hatten auch eine relativ gute Balance zwischen Qualitäts-Pop und Nische. Da gab es zeitweise auch guten Kaffee, Gebäck, Bücher und – eine Toilette! Und man durfte rauchen! Ein guter Ansatz. Die populärste Insider-Adresse war ganz bestimmt „Groove City“, früher noch beim Hamburger Pferdemarkt oder Michelle Records in der Innenstadt.

Was sind Deine aktuellen CD-Tipps, und welche Musiker und Alben sollten in keinem CD-Regal fehlen?

In jedem Musikstore sollte es ein Stevie Wonder Ehren-Regal geben ;-) Aber im ernst: Manche Alben wie Eminem´s  „Relapse“ sollten ein Gegenbeispiel wie Asher Roth´s neues Album haben. Und alle Genres sollten gleich speziell und gut sortiert angeboten werden. Mir sollte jemand sagen können, welches der meist gehörte Song von zum Beispiel Franz Ferdinand ist und ob „Tonight:Franz Ferdinand“ ein sinnvoller Kauf ist, wenn man noch kein Album dieser Band und nur 20 Euro in der Tasche hat. All solche Dinge halt. Besonders darf man als Kunde keine Angst davor haben, wenig musikalisches Wissen zu haben und Fragen zu stellen. Ach ja… „alles“  in Sachen Musik kann natürlich kein Plattenladen dieser Welt anbieten. Deswegen müßte man vor Ort ordern können und nach Hause geschickt bekommen. Das wichtigste allerdings bleibt, daß der Gang zum Plattenladen alleine schon ein wunderbares Ereignis ist.